Borderline Anspannung ist messbar
Borderline Erfahrungen und Erlebnisse

Borderline – Anspannung ist messbar

Wer sich als Borderliner kennen lernen will, muss vor allen Dingen eines kennen lernen: seine eigene Anspannungskurve.

Denn die Anspannung bestimmt oft genug die eigene Laune und wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Mehr noch, sie kann nicht nur ein Merkmal sondern auch ein Auslöser für selbstverletzendes oder destruktives Verhalten sein. Und auch wenn ich mich selber als relativ stabil bezeichne, so muss ich mich bei hohen Anspannungen immer noch zurück ziehen und auf mich aufpassen.

Der Vergleich

Um zu verstehen, warum die Anspannung für einen Borderline Patienten so immens wichtig ist, ist ein Vergleich mit „gesunden“ Menschen unvermeidbar:

Die für einen gesunden Menschen normale Anspannung liegt irgendwo um die 20% – im Alltag, ohne besonderen Stress und ohne irgendwie nervenaufreibende Situationen. Wenn diese anstehen, dann geht die Anspannung gerne auf 50 bis 60% hoch, doch selten erreicht sie Spitzen, die darüber liegen.

Die Grundanspannung eines Borderliners liegt weitaus höher. Selten kommen wir unter die 30%, meist schwirren wir im Alltag schon bei 50% Anspannung herum. Kommt dann noch ein Stressauslöser dazu, und das kann wirklich etwas absolut kleines und unbedeutendes sein, dann sind wir schnell bei 80%, 90% oder sogar 100% Anspannung. Und wir bewegen uns da auch nicht so schnell weg.

Warum ist das so? Das ist die große Frage und alles lässt sich auf die Emotionen zurückführen.

Instabile Emotionen

Die Krankheit wird vollständig „Emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Types Borderline“ genannt, und in dieser Formulierung steckt das Hauptmerkmal schon sehr deutlich: emotional instabil. Es ist schwer, Emotionen zu erkennen, auszuhalten oder sich nicht von ihnen überrennen oder steuern zu lassen.

Und das macht die Anspannungskurve zu etwas wichtigem. Zu erkennen, wo die Anspannung gerade liegt, welche Emotionen mit welche Höhe verbunden sind, welche Anzeichen der Körper zeigt, wenn eine bestimmte Marke überschritten wird, kann für uns alles bedeuten.

Ein gesunder Mensch verbringt nur wenige Zeit auf seinen Höhen der Anspannung, doch Borderliner, wir bleiben erstmal da. Für Stunden, manchmal sogar für Tage. Und das kann für unsere Gesundheit und für unsere Beziehungen sehr gefährlich sein. Zurückstoßendes Verhalten, gerade Menschen gegenüber die uns eigentlich wichtig sind, weil jedes Wort eines zu viel ist, Stressabbau durch dysfunktionale Verhaltensweisen, im schlimmsten Fall selbstverletzendes Verhalten mit anschließender Scham, Wut, Verzweiflung.

Doch was ist, wenn man weiß, was auf einen zukommt? Was ändert es, wenn man dennoch auf der Anspannungskurve ganz oben ankommt?

Oben auf der Kurve

Viel, verdammt viel. Denn alleine durch das Wissen, was gerade in einem geschieht, kann man besser damit umgehen. Auch wenn die Emotionen und die Anspannung immer noch das Gleich sind, so ist der Umgang damit ein gänzlich anderer.

Alleine die Zeit, die man auf der Höhe der Anspannungskurve verbringt, kann dadurch massiv verringert werden. Und im Zusammenhang mit dem Wissen kommt oft genug auch ein Wissen um andere Methoden, damit umzugehen. So bleiben dysfunktionale Verhaltensweisen gerne außen vor, oder man kommuniziert mit seinen Liebsten, kann ihnen vermitteln, dass es einem gerade schlecht geht und man seine Ruhe möchte. Auch das selbstverletzende Verhalten kann abgemildert oder gänzlich umgangen werden. Sei es durch eine Ersatzhandlung oder durch interne Skills, die einen ablenken.

Und nun aus dem Nähkästchen

Ja, meine persönliche Anspannungskurve ist meist recht hoch, an guten Tagen schwirre ich irgendwo zwischen 40% und 50% herum. Dann geht es mir gut, dann bin ich, für meine Verhältnisse, entspannt. Darunter liege ich selten. Höchstens nach intimen Stunden mit meinem Mann. Ja Sex ist durchaus auch ein Skill – oder ein dysfunktionales Verhalten, das kommt auf die Rahmenbedingungen an.

An schlechten Tagen ist die 100% mein zu Hause. Wie heute. Heute hat der Tag schlecht begonnen und ich war schon direkt nach dem Aufstehen auf 100. Wenn die Kurve da nicht enden würde, würde ich sogar sagen, jenseits davon. Doch ich weiß, im Laufe des Tages wird sie abflauen, es wird mir besser gehen. Dennoch bin ich gerade das Biest auf der Arbeit, was böse aus der Wäsche schaut und nicht reden will, obwohl ich sonst wirklich freundlich, aufgeschlossen und hilfsbereit bin. Heute ist jedes Wort eines zu viel. Die Tränen lauern hinter den Augen und die Anspannung ist deutlich im Kiefer zu spüren.

Das Schöne ist, ich kenne die genauen Gründe, weil ich mich kenne. Das Schlecht ist, ich kann an den Gründen nichts ändern. Also heißt es, die Anspannung aussitzen, etwas tun, was mir gut tut. Denn das ist das Einzige was hilft in solchen Momenten:

Tue etwas, was dir gut tut! Und tue es ausgiebig!


Photo by Aditya Wardhana on Unsplash

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