Ich versuche ja wirklich zu jedem Buch, das ich lese, eine Rezension zu schreiben. Aber ich lese dann doch viel lieber die Bücher…
Und manchmal ist es so, dass ich zwar Zeit zum Lesen habe, aber gar kein Buch dabei habe. Eigentlich sollte mein Kindle dieses Problem beheben, aber manchmal klappt das auch nicht. Wenn ich dann bei meiner Mutter bin, ist das gar nicht so schlimm, denn zur Not bediene ich mich an ihrem Bücherregal. Ziemlich praktisch, dass wir in vielen Bereichen die gleichen Bücher lesen. Jules Verne, Agatha Christie und vieles mehr.
So auch dieses Buch, das ich in ihrem Bücherregal fand. Ich bin auf eine Art von wahren Kriminalfällen fasziniert, die ich selbst nicht erklären kann. Vielleicht kann mir das ja jemand erklären, aber ich finde es faszinierend, zu was der Mensch eigentlich fähig ist. Im Positiven wie im Negativen!
Nun aber zum Buch…
Der Klappentext
In vierzehn Jahren wird Marybeth Tinning neunmal Mutter. Doch ihre Kinder sterben früh – alle neun, eins nach dem anderen. Niemand vermutet etwas Böses, weder die Freunde noch die Nachbarn, weder die Polizei noch die Sozialarbeiter. Doch schließlich kommt die unbegreifliche Wahrheit über die grausige Todesserie ans Licht. Die unglaubliche Geschichte eines wahren Verbrechens, das die Grenzen unserer Vorstellungskraft sprengt.
Die Rezension
Neben der eigentlichen Geschichte, zu der ich später noch kommen werde, ist der Aufbau des Buches sehr faszinierend gestrickt: Der Autor nimmt uns wie einen Ermittler mit. Angefangen bei dem Grund der Ermittlung, in diesem Fall dem Tod von Tami Lynne, bis hin zu den Anfängen. Nach der Ermittlung folgen der Prozess und eine Art Fazit zum Schluss.
Langsam und sehr feinfühlig nähert sich der Autor immer mehr den eigentlichen Problemen, den vielen toten Kindern von Marybeth, dem unscheinbaren Ehemann und den vermeintlichen Gründen für die Vorfälle und Tode.
Zu Wort kommen nicht nur Ermittlungsbeamte und Familie, sondern auch Freunde und Arbeitskollegen. So wird über das gesamte Buch ein Bild gezeichnet, das alle Facetten von Marybeth widerspiegelt. Nicht nur ihre Taten werden in den Vordergrund gerückt, sondern auch ihre Arbeit als Freiwillige einer Notfallambulanz, als gute Freundin und verlässliche Mitarbeiterin.
Dass es aber auch in diesen Aspekten ihres Lebens immer wieder zu Problemen kommt, wird nicht ausgelassen.
Das Buch ist aus den 80er Jahren, und dennoch versucht der Autor den psychologischen Aspekt einzufangen. Die vielen Splitter der Persönlichkeit Marybeth und wie es dazu kam.
Marybeth erfährt in diesem Buch keine Vorverurteilung und sie wird auch nicht als kaltblütige Mörderin dargestellt. Und genau das macht das Buch so nah, so emotional. Denn allzu gerne ist man bereit, eine Kindermörderin als kaltblütiges Monster abzustempeln. Dass es nicht so einfach ist, zeigt sich in diesem Buch.
Deutlich ist zu erkennen, wie viel mehr noch nötig ist und wie viel wir eigentlich von unseren eigenen Erfahrungen, Traumas und unserer Erziehung mitnehmen, ohne es zu wollen.
Ein weiterer Aspekt, der abseits von Marybeth beleuchtet wird, ist die mangelnde Arbeit und Vernetzung der Behörden in den 70er und 80er Jahren in den USA. Dies muss man sich beim Lesen immer vorhalten. Und dennoch hat sich dahingehend nicht viel verändert. Wie aktuelle Fälle nicht nur innerhalb der USA zeigen.
Wie kann es also sein, dass eine Mutter in neun Jahren vierzehn Kinder “verliert”, ohne dass die Behörden aufmerksam werden?
Ganz einfach: Umziehen und Ärzte wechseln, verschiedene Krankenhäuser aufsuchen.
Das Buch ist ein Versuch, eine Frau zu ergründen, die nur schwer zu ergründen ist. Das psychische Wissen der 80er macht es noch schwerer, als es heute vermutlich der Fall wäre, aber der Autor schafft es, Empathie zu wecken und den Fall ohne grelles Scheinwerferlicht darzustellen.
Die Fakten
Es ist mal wieder ein Buch, welches so nur noch gebraucht zu kaufen ist, sei es bei Amazon oder Medimops.
Titel: Es geschah nebenan. Die unfassbare Geschichte einer Mutter.
Autor: Joyce Egginton
ISBN: 9783453645103