Depression im Kopf, Chaos in der Wohnung
Erfahrungen und Erlebnisse

Depression im Kopf Chaos in der Wohnung

Depression im Kopf Chaos in der Wohnung

Ich schaue gerne TikTok Videos – wie vermutlich viele, viele andere Menschen auch. Ein Video-Typ, den ich immer gerne sehe, sind jene, in denen Menschen ihre vollkommen chaotischen, manchmal auch stark verschmutzten Wohnungen aufräumen. 

Bei vielen kommt die Erklärung, dass es sich bei dem Chaos um ein äußeres Zeichen ihrer Depression handelt. 

Ich finde diese Videos aus zwei Gründen klasse: Zum einen befriedigt es mich innerlich sehr, wenn aus dem Chaos etwas Sauberes, Ordentliches entsteht und ich feiere die Menschen dafür, dass sie den Mut und vor allem die Kraft haben, sich ihren Problemen zu stellen. Zum Anderen rückt ein doch sehr tabuisiertes Symptom von psychischen Erkrankungen in den Vordergrund: Das Chaos, welches durch Kraftmangel und Antriebslosigkeit besteht.

Und heute plaudere ich aus meinem privaten Nähkästchen. Denn auch ich kenne es nur zu gut. 

Auf dem Bild seht ihr meinen Schreibtisch bei einer meiner Aufräumaktionen plus exklusiv unsere beiden Katzen! Irgendwie sind sie immer dabei…

Depression im Kopf, Chaos in der Wohnung

Wer in unsere Wohnung kommt, der muss damit leben, dass es immer ein wenig chaotisch ist. Erstens ist unsere Wohnung eigentlich viel zu klein für unsere Hobbys und zweitens haben wir zwei Katzen, die ständig Blödsinn anstellen und ihr Fell und das Katzenstreu quer in der Wohnung verteilen. 

Dazwischen: akribisch sortierte Schränke, nach Schreibtischkante ausgerichtete Blöcke und ein Versuch, alles zu ordnen.

Zwei Welten prallen aufeinander: Mein innerer Zwang nach einem absolut perfekten Ordnungssystem und meine Unfähigkeit, Ordnung zu halten. 

Mittlerweile haben mein Mann und ich unsere eigene Ordnung, unsere eigenen Strukturen entwickelt: Es muss nicht immer alles perfekt sein, es darf auch mal geschludert werden, aber alles in allem ist die Wohnung ordentlich und sauber.

Das sah bei uns Beiden nicht immer so aus. Ich habe die Wohnung meines Mannes nie in einem absoluten Chaos kennengelernt, aber ich erinnere mich an meine eigenen Chaostage. 

Die Kleidung lag wild verstreut in der Wohnung, in der Spüle stapelte sich das dreckige Geschirr, im Badezimmer herrschte Chaos, überall lag Müll rum, Essensreste entwickelten ein Eigenleben und mittendrin saß ich. Ich trank zu viel, ich war zu nichts fähig und schob neben meiner Borderlineerkrankung eine schwere Depression und Psychosen vor mir her.

Ich war monatelang zu nichts fähig. Das sah man an meiner Wohnung. 

Ich hatte nicht die Kraft.

Grundreinemachen – Erfrischung fürs Gehirn

Heute ist es nicht mehr so schlimm. Aber immer noch habe ich mein privat persönliches Chaos, welches vor sich hinlebt. Das ist der Klamottenstapel neben dem Bett. Wahlweise rupfe ich dann mal was daraus hervor, weil es ja eigentlich noch sauber ist. Aber meist wächst er über eine Zeitlang an, bevor er dann gesammelt in der Wäsche landet.

Mein Schreibtisch – eine Mischung zwischen absolut sortierten Dingen und perfektem Chaos. Ständig suche ich etwas, von dem ich weiß, dass es eigentlich genau da sein müsste. 

Und irgendwann, wenn eine schwere Phase langsam ihrem Ende entgegen geht, wenn ich merke, die Depression, die Schatten über meinem Gemüt, verzieht sich, dann nimmt das Chaos nicht nur in meinem Kopf ungeahnte Formen an. 

Oftmals bekomme ich dann den absoluten Rappel und fange an aufzuräumen. Allerdings nicht dieses “normale” Aufräumen. Ich fange an, Schränke auszuräumen und neu, vermeintlich effektiver, zu sortieren, miste meinen Schreibtisch gründlich aus, wische alles Staub, was mir in den Weg kommt und sacke irgendwann erschöpft an meinem Schreibtisch zusammen.

Aber mir geht es danach gut! 

Ein viel gesagter Satz von mir ist in solchen Momenten: “Ich kann sehen, dass ich etwas im Griff habe.” Und das ist es auch irgendwie: Das Chaos in meinem Kopf hat sich in meinem Umfeld widergespiegelt. Indem ich das Chaos um mich herum beseitige, gebe ich meinem Gehirn die Chance, das innere Chaos ebenfalls aufzuräumen.

Wohlfühlen in den eigenen vier Wänden

Und noch etwas ist an solchen Aktionen sehr wertvoll! Denn die eigenen vier Wände, das eigene Zuhause ist nicht nur der Wohnort. Im Idealfall ist es ein Rückzugsort, ein Ort der Ruhe und der Geborgenheit. 

Sowas fällt schwer, wenn um einen herum das Chaos herrscht. Es kann die Depression noch verstärken. Das Aufräumen hilft also nicht nur nach einer Depression, um wieder zu Kräften zu kommen, sondern kann auch aus einer Depression heraushelfen. Zumindest, wenn die Kraft für sowas da ist. 

Manchmal reicht meine Kraft nicht, um alles in einem Abwasch zu machen, dann dauert es mehrere Tage. Aber Stück für Stück kann ich dabei zusehen, wie die Wohnung wieder ordentlich wird. Und mit jedem aufgeräumten Fleckchen mehr, fühle ich mich wohler, stärker. 

Versumpfen, Chaos um sich zu haben, ist vollkommen in Ordnung. Es auch alleine nicht mehr zu schaffen, ist vollkommen in Ordnung. 

Das musste ich lernen. Und ich weiß mittlerweile, dass ich damit nicht alleine bin. Aber ich weiß auch, dass ich, wie jeder Mensch, die in sich wohnende Kraft hat, Herr über das Chaos zu werden. Auch wenn es Zeit und Hilfe braucht.

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1 Kommentar

  1. Es ist wichtig, sich nach jeder Reinigung oder Aufräumaktion hinzusetzen, sich an der Ordnung zu erfreuen und sich selbst zu loben. Dann fängt man an, sich über das Ergebnis zu freuen und es macht sogar Spaß.

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