Etwas was ich mir immer wieder selber sagen muss und was manchmal wirklich, wirklich schwierig ist, ist die Tatsache, dass jede Emotion ihre Berechtigung hat.
Hab ich jetzt bei einigen für Verwirrung gesorgt? Dann folgt hier die Erklärung.
Emotionen als Belastung
Meine Hauptdiagnose lautet „Emotionale instabile Persönlichkeitsstörung„. Die restlichen Diagnosen lasse ich jetzt mal gekonnt unter den Tisch fallen, denn sie spielen für diesen Beitrag nur eine geringe Bedeutung.
Wie man dem Namen schon entnehmen kann, geht es hier um eine emotionale Störung. Doch wie kann man sich das vorstellen? Zum Einen können die Emotionen viel stärker ausgeprägt sein, als bei anderen Menschen und zum Anderen ist da eine Störung, die verhindert, dass ich die Emotionen erkenne. Und oftmals lasse ich mich auch von den Emotionen lenken, reagiere nicht mehr rational sondern aus der Emotion heraus, weil sie mich beherrscht.
Besonders auffällig ist das, wenn ich Angst habe, mich schäme, mich schuldig fühle oder ich Wut oder Aggressionen verspüre.
Mittlerweile bin ich relativ gut darin, meine Emotionen zu erkennen und sie auszuhalten, ohne übermäßig zu reagieren. Aber nicht immer. Dann belasten mich meine Emotionen, vor allem wenn sie negativ sind.
Oder wenn ich sie mit einem Trauma verbinde, oder sie unangebracht sind. Denn das habe ich in meinem Leben leider gelernt: Emotionen können unangebracht sein. Prinzipiell ist das auch irgendwie richtig, denn wenn die Emotion die Kontrolle über einen übernimmt, sind sie nicht mehr sinnvoll. Wenn ich meine Handlung aufgrund meiner Emotion nicht mehr kontrollieren kann, habe ich ein Problem. Und damit werden Emotionen zu einer Belastung. Und sind überhaupt nicht mehr toll.
Leider, oder zum Glück, bin ich kein Vulkanier und laufe relativ emotionslos durch mein Leben.
Emotionen können sich falsch anfühlen
Wenn Emotionen also eine Belastung sein können, dann können sie doch auch falsch sein und ihre Berechtigung verlieren, oder?
Ja, denn verschiedene Emotionen haben uns in der Vergangenheit sicherlich geschützt und dafür Sorge getragen, dass wir eine bestimmte Situation besser aushalten konnten. Gerade wenn es eine traumatische Situation war. Doch der menschliche Körper hat eine sehr interessante Art, Erfahrungen zu speichern. Denn geraten wir in eine ähnliche Situation, kann das Gefühl wieder kommen, auch wenn es eigentlich unpassend ist.
Ein Beispiel: Ich kann nicht alleine sein, das verkrafte ich nicht.
Als Kind ist dieser Satz durchaus sinnvoll, ein Kind kann nicht alleine leben, sich versorgen und mit dem Leben zurecht kommen. Ein Gefühl von Angst und Verlassen sein ist oftmals die Reaktion. Und in dieser Lebensphase ist es richtig.
Schnellreise in das Leben als Erwachsener: Alleine sein ist jetzt nicht mehr so schlimm, man kann eigentlich alleine zurecht kommen und sicherlich sind auch die Momente, in denen man alleine ist, manchmal sehr entspannend.
Legen wir allerdings ein Traumata unter diese Situation, so ist auch das Alleine Sein als Erwachsener von Angst und Panik, von dem Gefühl verlassen worden zu sein geprägt und kann nur schwer auszuhalten sein.
Die Emotion stellt sich also vorrangig als falsch heraus.
Dieses Beispiel lässt sich auf viele Emotionen und Erfahrungen anwenden.
Emotionen haben ihre Berechtigung
Und doch vertrete ich die Meinung, dass jede Emotion in jeder Situation richtig und berechtigt ist. Doch warum widerspreche ich da Handbüchern und, ja, zum Teil auch mir selber?
Ganz einfach: die Emotion kann mir zeigen, dass da etwas verschüttet liegt, eine Angst oder Erinnerung zu Grunde liegt, die mich persönlich belastet.
Wieder ein Beispiel von mir selber: wenn ich am PC sitze und versuche die Lösung für ein Problem zu finden, dann ist es absolut kontraproduktiv wenn jemand hinter mir steht oder bei mir sitzt. Dann gerate ich in Panik zu versagen, keine Lösung zu finden und das macht mich aggressiv. Das weiß ich, ich weiß es ist unangebracht und es belastet mich.
Dennoch gestatte ich mir diese Emotion, denn ich weiß, da ist ein Problem. Das Problem der Versagensangst, die Erfahrung, dass ich für mein Versagen angebrüllt und fertig gemacht werde. Von der Person neben oder hinter mir.
Unberechtigt deswegen, weil keiner in meinem Umfeld das machen würde.
Warum ich es der Emotion dennoch gestatte? Weil ich mit jedem Mal versuche, die Emotion in etwas anderes zu kanalisieren, versuche sie auszuhalten und zu lernen, dass sie mittlerweile ihren Dienst nicht mehr erfüllt, sondern veraltet ist. Das ist schwierig. Manchmal unmöglich und ich kacke den Menschen neben mir recht unhöflich an. Dann muss ich mich entschuldigen, weil es mir ja auch leid tut. Dennoch, die Emotion hat ihre Geschichte und damit ihre Berechtigung.
Was nicht heißt, dass sie angebracht ist.
Aushalten lernen und umkehren
Für mich ist es wichtig, in solchen Momenten, in denen ich weiß, die Emotion beruht nicht auf der aktuellen Situation sondern aufgrund einer Erfahrung in der Vergangenheit, die Emotion auszuhalten. Damit kann ich ihr den Schrecken nehmen und die Situation wird mit der Zeit leichter zu ertragen. Und dann kann ich anfangen, die Emotionen die unter dieser veralteten liegen zu erkennen, zu erahnen und ihnen Raum einräumen.
Es ist ein langer Prozess und gar nicht mal so einfach. Aber er ist es wert.
Photo by Mark Daynes on Unsplash
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