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Inklusion vielerorts – ich finde meine Lobby nicht!

Das Wort ist in aller Munde, und das ist gut: Inklusion! Der Duden hat dazu folgendes zu sagen:

In­klu­si­on, die
Wortart Substantiv, feminin
Worttrennung: In|klu|si|on

Bedeutungen:

Mathematik – (besonders in der Mengenlehre) die Beziehung des Enthaltenseins
Mineralogie – Einschluss von Fremdsubstanzen in Kristallen
Soziologie – das Mit-einbezogen-Sein; gleichberechtigte Teilhabe an etwas; Gegensatz Exklusion
Pädagogik – gemeinsame Erziehung beeinträchtigter und nicht beeinträchtigter Kinder in Kindergärten und [Regel]schulen

So sehr mich auch die Mathematik fasziniert und auch wenn ich eine kleine Steinsammlung habe, so geht es hier doch um die letzten Beiden Bedeutungen: Soziologie und Pädagogik. In beiden Fällen geht es darum, dass man dazugehört, ein Teil von etwas ist. Heutzutage fällt es vorwiegend im Zusammenhang mit behinderten Menschen. Aus der Pädagogik kennen wir es schön länger, dass Kinder mit Beeinträchtigung nicht mehr zu Sonderschulen gehen sollen, sondern in normalen Klassenverbänden unterrichtet werden. Ging auch lange genug durch die Presse, und es ist richtig und wichtig.

Vor kurzem hatte ich eine Unterhaltung mit unserer Öffentlichkeitsbeauftragten (PR Fee passt auch ganz super zu ihr). Und ein Satz ist mir besonders hängen geblieben:

„Eine Rampe zum Überbrücken von Barrikaden ist schnell gebaut, aber die Barrikaden in den Köpfen der Menschen brauchen lange.“

PR Fee meines Vertrauens

Und in diesem Satz steckt so verdammt viel Wahrheit. Denn Inklusion geschieht nicht mit Geld. Nicht nur zumindest. Sicherlich, je nach Beeinträchtigung hat man bestimmte Bedürfnisse oder braucht Hilfsmittel. Dass die nicht billig sind, kann sich jeder denken, der schon mal was kaufen wollte, was nicht von der Stange ist.

Nehmen wir den Kollegen im Rollstuhl: er braucht einen ebenerdigen Zugang zum Büro. am Besten eine Rampe, ist das Büro nicht im Erdgeschoss, dann auch einen Aufzug. Sein Arbeitsplatz muss entsprechend viel Platz bieten, damit er mit seinem Rollstuhl dort problemlos hin kann und auch rangieren kann. Eine Behindertentoilette ist unumgänglich und wenn er die Küche mitbenutzen will, ohne dass ihm ständig einer hilft, dann muss die auch entsprechend ausgerüstet sein.

Das alles ist nicht billig. Das streite ich nicht ab. Aber es nützt alles nichts, wenn die Kollegen ihn nicht in die Gemeinschaft einbinden. Das kann ganz simpel damit anfangen, dass nicht mit ihm gesprochen wird, dass man gemeinsam auswärts Essen geht und ihn nicht fragt. Oder, und das kann genauso schlimm, genauso herabwürdigend sein, indem man versucht ihm übermäßig zu helfen.

Der Kollege kann übrigens durch jedwedes Geschlecht mit jedweder sichtbaren Beeinträchtigung ausgetauscht werden. Er ist nur ein Beispiel.

Also, Inklusion heißt nicht nur, die äußeren Umstände anzupassen. Es geht viel mehr darum, dass der Mensch dazu gehört, von den anderen Menschen als einer von ihnen angesehen wird. Und nicht als Sonderling, als etwas Besonderes…

Der Artikel könnte jetzt zu Ende sein. Könnte.

Denn ich sitze nicht im Rollstuhl. Ich habe keine sichtbare Behinderung.

Und wenn von Inklusion geredet wird, bin selten ich gemeint. Auch eher selten der Großteil meiner Kollegen.

Ich bin psychisch beeinträchtigt. Ich brauche keinen Rollstuhl, aber auch ich möchte inklusiv dazu gehören, ein Teil der Gesellschaft sein. Vor allem der Arbeitsgesellschaft. Ich halte Stress nur bedingt aus, kann mit übermäßiger Unruhe in Großraumbüros nur schlecht umgehen und schaffe keine 40 Stunden plus mehr in der Woche. Meine Konzentration und meine Psyche im Allgemeinen lassen das nicht zu. Ich habe mich damit abgefunden.

Wenn also nun von Inklusion geredet wird, wird selten über Jene gesprochen, die es auch bitter nötig hätten. Für mich müssten keine Rampen gebaut, keine Büros umgebaut werden. Es müsste nur einen Chef geben, der ein wenig menschlicher ist, der mich in Stresssituationen ausbremst, anstatt mich weiter anzufeuern und der mir auch Pausen zusteht.

Aber wir leben in einer Gesellschaft, die immer mehr will, für immer weniger Geld. Auch auf der Arbeit. Inklusion bedeutet nicht nur, die äußeren Umstände zu schaffen sondern auch die Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind. Mit und vor allem ihre Schwächen!

Eine Lobby außerhalb des Internets, eine Lobby, die sich bei Firmen und bei Institutionen und in der Politik stark macht für Menschen mit psychischen Behinderungen. Behinderungen die, wie man mir so schön sagt „gar nicht sieht.“

So schön auch Hashtags wie #yourableism auf Twitter sind, so schön Berichte von Managern sind, die sagen „ich hatte auch mal Depressionen/Burnout“… ich fühle mich nicht vertreten. Psychische Erkrankungen sind therapierbar. Aber oft genug bleibt eine Beeinträchtigung ein Leben lang.

Und so lange die Menschen in den Führungspositionen nicht sehen, dass auch wir gute Arbeit leisten können, wenn man uns die Chance gibt und den Raum einräumt, solange sehe ich keine Inklusion.

Solange fühle ich mich ausgegrenzt.


P.S. Auf der Suche nach einem Beitragsbild habe ich Disability auf einer Bilderseite eingegeben. Bitte ratet! Menschen mit Trisomie 21 und in Rollstühlen sind DAS Aushängeschild!


Photo by Markus Spiske on Unsplash
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