Empowerment und Beratung Erfahrungen und Erlebnisse

Peer im Tandem IV – Beratung auf Augenhöhe

Peer Beratung im Tandem ist Beratung auf Augenhöhe – in diesem Artikel erzähle ich euch, was genau das ist und hier berichte ich von den ersten Beratungen.

Nach den Seminartagen musste ich fünf Beratungsgespräche mit meinem Tandem-Partner absolvieren, bevor ich alleine beraten durfte. Die habe ich schon seit längerer Zeit hinter mir und berate mittlerweile selbstständig und ohne die Anwesenheit meines Tandem Partners.

Die ersten Gespräche

Aus der Theorie wurde Praxis und ich war nervös. Wie an meinem allerersten Schultag, oder beim ersten Date oder etwas vergleichbaren. Ich war so richtig nervös. Auch wenn ich durch die Seminartage und die Trainer wirklich gut vorbereitet war, so wusste ich doch am Anfang gar nicht, was auf mich zukommt.

Die Beratungssituation ist derzeit so, dass ich in einer offenen Beratungsstelle für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung unterstützte. Die Beratungsstelle gehört zu den Alexianern und hat sich auf die Agenda geschrieben, unabhängig und vor allem barrierearm zu beraten – ein Beratungsschein oder Kostenträger ist nicht nötig. Beraten wird zu allen Themen, die mit Arbeit zu tun haben oder weitestgehend dazu gehören.

Das kann sein den passenden Beruf zu finden, Hilfe bei Bewerbungsschreiben, Infos über Werkstätten oder Berufsbildende Maßnahmen und so viel mehr, dass man es gar nicht auflisten kann.

Meine Tandempartnerin ist ein Schatz – das muss ich an dieser Stelle einmal sagen. Sie stärkt mir ungemein den Rücken und weiß anscheinend genau, wen sie in die Beratung zu mir schicken kann. Denn bisher empfand ich alle Gespräche als positiv.

Beratung auf Augenhöhe

Tja, das ist die Frage des Tages. Manchmal könnte ich einfach sagen: ich weiß es gar nicht so genau! Denn es ist immer die Frage, mit was kommt der Ratsuchende an. Viel Arbeit stecke ich in sogenannte Empowerment Gespräche.

Hö? Da kann man Gespräche drüber führen und beraten? Ja kann man, und es hilft tatsächlich. Die meisten Ratsuchenden die in die Beratungsstelle kommen, wissen meist gar nicht was sie alles können. Durch Erkrankungen, schlechte Erfahrungen und auch Menschen, die immer nur das Negative in ihnen gesehen haben, ist das durchschnittliche Selbstwertgefühl ziemlich miserabel.

Und mit den richtigen Handgriffen und Ideen kann man da viel Vorarbeit leisten, damit der Mensch ein besseres Selbstbild hat und mit einem erhobenem Haupt durch das Leben ziehen kann.

Nebenbei: wer hat denn nicht gerne einen Menschen im Vorstellungsgespräch sitzen, der selbstbewusst ist und weiß, dass er etwas kann als jemanden, der seine eigenen Fähigkeiten schlecht redet?

Das ist einer meiner Beratungsaufträge. Oftmals werden einfach Stärken ausgelotet, Selbstbestärkung gespiegelt oder einfach mal geschaut, was derjenige schon super auf die Reihe bekommen hat. Meist sind es für diese Menschen Kleinigkeiten, aber wenn einer dann die Besonderheit, die Kraft und den Mut aus dieser Situation nimmt und damit beweist, dass der Ratsuchende besonders ist und Stärken hat – dann nimmt man sich doch gleich anders war.

Solche Gespräche helfen den Meisten, die in die Beratungsstelle kommt und diese führe ich mittlerweile alleine mit den Ratsuchenden.

Aber es kann und ist auch immer etwas mehr, etwas anders. Brainstorming, welche Berufe einem gefallen könnten – und dabei ist es egal ob es real zu erreichen ist oder nicht. Aufstellen des eigenen Netzwerkes, Herausfinden von Träumen, Wünschen und Zielen, die einem beruflich vielleicht auch einen Weg ebnen können.

Es ist jedes Mal etwas Anderes. Und wenn der aktuelle Streit mit Mutter, Partner oder Mitbewohner einen belastet, dann kann auch der mal zum Thema werden.

Was habe ich durch Peer im Tandem gelernt?

Wundervoll an den bisher gelaufenen Beratungen: ich konnte selber immer etwas lernen oder daraus mitnehmen. Manchmal – nun gut, eigentlich meistens – das Gefühl, helfen zu können.

Bei manchen Gesprächen habe ich auch nur meine Tandem-Partnerin beobachtet, habe mir Mechaniken von ihr abgeschaut, versucht ihre Gelassenheit und ihre Empathie zu erlernen.

Und dann habe ich gelernt, dass jeder Mensch anders ist. Gut, das wusste ich vorher schon, aber es wurde in den letzten Wochen nochmal deutlich. Dabei ist jeder auch besonders und wertvoll, jeder hat seine eigenen Stärken, seine Wertevorstellungen und Erwartungen an das Leben. Und doch möchte jeder das Gleiche: eine Aufgabe die ihn erfüllt und Spaß macht, ein stabiles soziales Umfeld und ein Leben, das lebenswert ist.

Egal ob es die junge Frau ist, die am Anfang so gar nicht kommunikativ wirkte aber nach und nach immer mehr aus ihrem Schneckenhaus kam und beim zweiten Termin schon redete wie ein Wasserfall. Oder der andere Ratsuchende, der genau weiß, was er will und nur jemanden braucht, der ihm hilft die ganzen Unterlagen zu sortieren und zu erstellen.

Manchmal ist es auch jemand, der da sitzt und wissen möchte, wie es in einer Behindertenwerkstatt ist, der Angst vor dem Stigmata hat und doch eigentlich genau das möchte – einen geschützten Rahmen.

Zwischenergebnis

Ich habe für mich festgestellt, dass ich die Arbeit mehr als gerne machen, sie erfüllt mich und macht mich glücklich. Egal wie schlecht es mir manchmal selber geht, wie viele Sorgen mich umtreiben – wenn die Ratsuchenden vor mir sitzen und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen, dann mache ich auch genau das; mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.

Dass ich nicht perfekt bin, manchmal selber überlegen muss, immer wieder meinen Tandem-Partner um Rat frage und auch mit ihr jedes Gespräch rekapituliere – das ist mir bewusst und vielleicht macht auch genau das meine Beratungstätigkeit aus. Ich bin kein Profi, der von Techniken erzählt, der das Netzwerk der beruflichen Hilfe perfekt kennt und weiß, was man wofür machen oder beantragen muss.

Ich bin ehrlich, authentisch und offen, erzähle auch mal von mir, bestärke und zeige, dass man auch mit einer psychischen Behinderung nicht auf dem Abstellgleis zuhause sein muss.

Mutmacher, Brückenbauer, Berater auf Augenhöhe.

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